Zur Unzulässigkeit eines verspätet eingebrachten Antrags auf vorzeitige Einstellung gemäß § 211 IO – Anmerkung zu OGH 8 Ob 103/24s

Ausgangspunkt und Verfahrenskontext

Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 5. Dezember 2024, 8 Ob 103/24s, befasst sich mit der praxisrelevanten Frage, ob ein Antrag auf vorzeitige Einstellung des Abschöpfungsverfahrens nach § 211 IO, der erst nach Ablauf der gesetzlichen Abtretungslaufzeit gemäß § 199 IO eingebracht wird, noch geeignet ist, die Erteilung der Restschuldbefreiung gemäß § 213 Abs 1 IO zu hindern.

Ich hatte in diesem Verfahren die Aufgabe, den Schuldner zu vertreten. Unser wesentliches Argument – das auch vom OGH aufgegriffen wurde – war, dass ein erst nach Ablauf der Abtretungsfrist gestellter Antrag nach § 211 IO keine aufschiebende Wirkung mehr entfalten und die Beschlussfassung nach § 213 IO nicht mehr verhindern kann.

Sachverhalt

Das Abschöpfungsverfahren des Schuldners war regulär verlaufen. Die dreijährige Laufzeit der Abtretungserklärung endete am 30. Juni 2024. Erst nach diesem Zeitpunkt, konkret im Juli 2024, brachte ein Insolvenzgläubiger einen Antrag auf vorzeitige Einstellung des Abschöpfungsverfahrens nach § 211 IO ein – unter Berufung auf eine behauptete Obliegenheitsverletzung.

Das Erstgericht sah in diesem Antrag einen Hinderungsgrund für die automatische Erteilung der Restschuldbefreiung nach § 213 Abs 1 Satz 1 IO. Es unterließ daher die Beschlussfassung und leitete zunächst ein Prüfungsverfahren gemäß § 211 IO ein. Das Rekursgericht bestätigte diese Vorgehensweise.

Der Schuldner erhob durch meine Vertretung außerordentlichen Revisionsrekurs, mit dem Ziel, die unmittelbare Anwendung des § 213 Abs 1 IO durchzusetzen.

Entscheidung des OGH

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs statt und stellte klar:

  • § 213 Abs 1 IO differenziert ausdrücklich zwischen zwei Alternativen:
  1. Liegt zum Zeitpunkt des Ablaufs der Abtretungsfrist ein Antrag nach § 211 IO vor, ist dieser vorrangig zu behandeln.
  2. Fehlt ein solcher Antrag zum maßgeblichen Stichtag, ist ohne weiteres die Restschuldbefreiung auszusprechen.
  • Ein Antrag nach § 211 IO, der erst nach Ablauf der Abtretungslaufzeit gestellt wird, ist nicht mehr zulässig und hat keine aufschiebende Wirkung im Hinblick auf § 213 IO.

Der OGH begründet dies mit dem Zweck und der Systematik der §§ 199 ff IO: Die Abtretungsfrist markiert den Endpunkt des Abschöpfungsverfahrens. Nach diesem Zeitpunkt fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage für die Prüfung eines Antrags auf vorzeitige Einstellung.

Bedeutung für Schuldner

Die Entscheidung des OGH in 8 Ob 103/24s stellt eine bedeutsame Absicherung der Rechtsposition von Schuldnern im Abschöpfungsverfahren dar. Sie konkretisiert das Zusammenspiel zwischen den Bestimmungen der §§ 211 und 213 IO in zeitlicher Hinsicht und stellt klar, dass Schuldner nicht mit nachträglich eingebrachten Anträgen auf vorzeitige Einstellung konfrontiert werden dürfen, wenn die gesetzliche Laufzeit der Abtretungserklärung bereits abgelaufen ist.

Für Schuldner bringt die Entscheidung folgende rechtliche Klarstellungen:

  • Das Ende der Laufzeit der Abtretungserklärung (§ 199 IO) markiert eine klare zeitliche Zäsur im Abschöpfungsverfahren.
  • Ein Antrag auf vorzeitige Einstellung gemäß § 211 IO muss bis zum Ablauf der Abtretungslaufzeit eingebracht sein, um verfahrensrechtlich beachtlich zu sein.
  • Wird dieser Zeitpunkt verpasst, ist das Verfahren – bei ordnungsgemäßer Erfüllung der Obliegenheiten – von Amts wegen durch Beschluss gemäß § 213 Abs 1 IO mit der Erteilung der Restschuldbefreiung abzuschließen.
  • Ein späterer Antrag entfaltet keine Sperrwirkung und darf die Entschuldung nicht verzögern oder verhindern.

Diese Rechtsprechung wahrt den Charakter des Abschöpfungsverfahrens als planbare und gesetzlich vorhersehbare Entschuldungsmaßnahme. Sie schützt redliche Schuldner vor dem Risiko, dass ihnen durch zeitlich unzulässige Anträge Dritter nachträglich die wirtschaftliche Rehabilitation verwehrt wird.

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